Geschichte der Thistlegorm (blaue Distel)

Der 126 m lange britische Frachter Thistlegorm lief im April 1940 in Sunderland (Nordengland) vom Stapel. Der englisch-gälische Name bedeutet „Blaue Distel“ (engl. thistle „Distel“, gäl. gorm „blau“).  Ihre Tonnage betrug 4,9 BRT, ihr Tiefgang 7,45 m. Eine Dampfmaschine mit zwei Kesseln mit einer maximalen Leistung von 1850 PS (272 kW) verschaffte dem Schiff eine Geschwindigkeit von 10,5 Knoten.

Das Schiff war nicht für kriegerische Einsätze gebaut worden, ihm fehlte eine effektive Panzerung. Der Situation gehorchend hatte man seine Brücke und die Aufbauten mittschiffs von außen mit Betonplatten verstärkt. Man erhoffte sich auf diese Weise einen Schutz vor den Bord-MGs anfliegender Feindbomber und vor Splittern. Schön sah es mit diesem Betonkorsett nicht aus, auch die beiden Kanonen am Heck, eindeutiges Zeichen einer Defensivbewaffnung, paßten nicht zu ihm. Es waren jedoch notwendige Schutzmaßnahmen. Zu ihrer vierten und letzten Reise lief die Thistlegorm im August 1941 in Glasgow in Schottland aus. An Bord befand sich eine Ladung Waffen, Munition und Ausrüstungsgegenstände, darunter Granaten verschiedener Kaliber, Minen, Vickers Universal Carrier-Panzer, Lastwagen (Ford WOT2,WOT3, WOT1, Bedford MW, Bedford OY, Tilling Stevens TS-19), Motorräder (BSA M-20, Matchless G3L, Norton 16H), Flugzeugteile, zwei Lokomotiven sowie mehrere Eisenbahnwaggons. Das Material war für die 8. Armee der British Army (später als Desert Rats bekannt) bestimmt, die eine Großoffensive (Operation Crusader) gegen das deutsche Afrikakorps unter Erwin Rommel vorbereitete. Aufgrund der Gefährdung durch deutsche und italienische U-Boote und Flugzeuge nahm die Thistlegorm den längeren, aber sichereren Weg um Afrika herum. Am 24. September wurde sie in Aden (Jemen) einem Konvoi von 20 Schiffen unter dem Schutz des Kreuzers HMS Carlisle zugeteilt und fuhr mit diesem durch das Rote Meer nach Norden. Da die Durchfahrt durch den Suezkanal mit einem Wrack blockiert war, musste der Konvoi an einem Ankerplatz („Safe Anchorage F“) östlich der Südspitze des Sinai gelegenen Riffs Sha’ab Ali auf die Freigabe der Route warten.

Nach einer zehntägigen Wartezeit wurde der Konvoi in der Nacht des 6. Oktober 1941 von einem deutschen Heinkel He 111-Bomber der II. Gruppe des Kampfgeschwaders 26 (KG26) entdeckt. Zusammen mit einem zweiten He 111-Flugzeug hatte die mit zwei Spezialbomben zur Schiffsbekämpfung ausgerüstete und auf Kreta gestartete Maschine eigentlich das als Truppentransporter eingesetzte Passagierschiff Queen Mary versenken sollen, es aber nicht gefunden. Die Besatzung erkannte die Thistlegorm als lohnendes Ziel und griff sie im Tiefflug an. Eine oder beide Bomben trafen das Schiff im hinteren Teil auf der Höhe des vierten Laderaums. Der Treffer brachte einen Teil der Munitionsfracht zur Explosion und wahrscheinlich auch die unter Druck stehenden Dampfkessel im Maschinenraum. Durch eine Serie von Detonationen brach das Heck ab, und das Schiff sank innerhalb weniger Minuten. Beim Untergang starben neun Besatzungsmitglieder, die 30 Überlebenden wurden von den anderen Schiffen des Konvois gerettet. Das Flugzeug, das dieThistlegorm versenkt hatte, wurde abgeschossen, die Besatzung geriet in Gefangenschaft.